Film 19 (Seite 1): Eine ganz schön schmutige Angelegenheit...

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Ein dem inzwischen total vermüllten Meer entstiegenes Matschmonster wird von den Einheimischen schnell „Hedora (International: Hedorah; Japanisch für Schlamm, Abfall) getauft (in Deutschland heisst es in diesem Film jedoch „Hydrox“- der Neme, den ihm der kleine Ken in der deutschen Synchronisation gibt), wächst rasend schnell, kann sich (siehe Titelfoto) auch in eine Art fliegende Untertasse verwandeln und sondert für Menschen tödliche Gase ab (kein Wunder, ernährt es sich doch ausschliesslich von hochgiftigen Industrieabfällen). Zudem findet Ken's Vater, ein Wissenschaftler, heraus, daß sich der Koloss noch in einem Umwandlungsprozess befindet, von dem niemand weiss, was am Ende für ein Wesen entstehen wird. Als alles verloren scheint, erweist sich einmal mehr Godzilla als einzige Hoffnung für die Menschen und stellt sich seinem vielleicht schwersten Kampf...
So muss unsere heissverehrte Riesenechse in diesem Film sogar ihre Flugkünste unter Beweis stellen, von denen wir bis dato gar nicht wussten, daß er sie überhaupt hat (und die wir auch nie wieder erneut in einem Film sehen würden).



Seit ihrem ersten “Godzilla”-Film aus dem Jahr 1954 hatte die im (nicht nur japanischen) modernen Monsterfilmgenre federführende (und auch in den USA sehr erfolgreiche) Toho-Filmproduktionsgesellschaft aus Tokio so gut wie immer Atombombenversuche oder (meist natürlich fehlgeschlagene) Experimente mit solcherlei Material für die Existenz ihrer Monster verantwortlich gemacht (als einzige Alternative wurden ab und an ausserirdische Welten als Brutstätte von Ungeheuern herangezogen). Das war im Kontext der Filme als logisch zu bezeichnen, oder zumindest eine für den Zuschauer nachvollziehbare Erklärung, und gab den Filmen mehr oder weniger (im Verlauf der Reihe allerdings auch manchmal eher weniger) einen Touch von Zeitkritik. Jenseits all ihrer naiven Machart waren die Filme damit immer auch ein Statement gegen die Atombombe, angesichts des japanischen Traumata von Hiroshima und Nagasaki sogar durchaus auch gegen die Nutzung der Atomkraft allgemein. Inzwischen aber hatten sich die Zeiten geändert, selbst Japan wandte sich der Atomkraft als Energiequelle zu, und man suchte nach neuen Themen für den Plot der Filme.
Die Verantwortlichen entschieden sich schliesslich für ein Drehbuch, das sich bei einer Idee der Konkurrenz, die nur Monate zuvor bereits das neue Thema erstmals in einem Monsterfilm aufgegriffen hatte, bediente- die stetig wachsende Industrialisierung und damit zunehmende Zerstörung der Umwelt durch den Menschen und die damit (zumindest in der damaligen Fantasie der Drehbuchschreiber möglichen) verbundenen Folgen. Den Mit-Autoren Yoshimitsu Banno betraute man dann auch direkt mit der Regie (seiner ersten und für die
Toho einzigen) und liess ihm (was die Produzenten im nachhinein wohl bedauerten) ziemlich freie Hand bei der Gestaltung des durch und durch sehenswerten, aber für die Reihe ungewöhnlich aufgebauten Films.
Trotz seines kleinen „geistigen Diebstahls“ gelang es Banno, aus der Idee etwas ganz eigenes zu machen und sie mit neuen Ideen (inklusive nie zuvor gesehener Monstergesichtsnahaufnahmen) sogar noch auf die Spitze zu treiben. So wird schon der Beginn zur harschen Mahnung an den Umgang des Menschen mit der Natur, wenn in einem völlig verdreckten Ozean (der war in den bisherigen Filmen immer blau und klar gewesen) eine stehen gebliebene Uhr treibt, die die abgelaufene Zeit symbolisiert. Zeichentricksequenzen (die auch, sehr kindgerecht animiert, im weiteren Verlauf das Geschehen im Film quasi kommentieren und nur in der deutschen Version als Träume des kleinen Ken dargestellt werden) zeigen dann, wie aus dem Müll ein Monster entsteht- in moderner Pop-Art, unterlegt mit fast schon psychedelischer Rockmusik. Sowas hatte sich bisher kein Regisseur „getraut“, das war neu, seiner Zeit voraus und sorgt bis heute zumindest bei einem Teil der Fans für einen besonderen Kultstatus des (in Deutschland trotz Kinoauswertung eher unbekannten) Films.
Für die
Toho-Oberen jedoch war das zu viel neues, und auch an freakigen Tanzeinlagen offensichtlich dem Drogengebrauch nicht ablehnend gegenüberstehender Jugendlicher mag man sich gestört haben- Chef Tanaka soll angesichts des fertigen Werkes getobt haben. Banno durfte nicht noch einmal für die Toho arbeiten (tauchte im Genre allerdings viele Jahre später, 2014, als Executive Producer bei einem der unsäglichen modernen US-Godzillas wieder auf), und auch seine schon ausgearbeitete Idee eines Sequels, das in Afrika (und damit erstmals ausserhalb Japans) spielen sollte, wurde verworfen und nie realisiert.
Von der Toho folgte mit „Frankensteins Höllenbrut“ als nächstem Film ein Schema F-Phantasy-Zerstörungsspektakel mit ausserirdischen Wesen und Monstern- und der wohl „brutalste“ Film der Reihe (für den relativ viel Material aus vorhergegangenen Filmen erneut verwendet wurde).

Ganz was neues: Er kann fliegen!

Mit viel Fantasie und manch ungewöhnlichem Einfall (man beachte nur die Szenen mit der Katze, die in einer Diskothek auftaucht) wird im "Teufelsmonster"-Film nicht nur ein ernsthaftes Anliegen vermittelt und vor blindem menschlichem Fortschrittsdenken zu Lasten der Umwelt gewarnt, sondern der Film zeigt auch, wie machtlos der Mensch sein kann, wenn die Natur seltsame Blüten treibt (Wesen gebiert). Die Nachricht, die Macher Banno hier nicht nur verklausuliert, kommt an, und bei all dem kommt dennoch das nicht zu kurz, was man von einem Monsterfilm erwartet. Der Film verbreitet eben auch Monsterspass, und es ist nicht nachvollziehbar, warum die Produzenten (und auch ein Teil der Fans) so wenig begeistert von dem Film waren (und sind). Ab und an mal ins Nachdenken zu kommen und die ein oder andere wissenschaftliche Erklärung (egal, ob sie denn wirklich der Realität auch nur nahekommt), mindert hier den Unterhaltungswert kein bisschen. Vielleicht war man auf  Produzentenseite vor allem darüber empört, daß der Film insgesamt wenig kindgerecht ist (denn genau das war ja inzwischen zu Toho’s Maxime geworden, speziell das junge Publikum zu gewinnen)- Aspekte des Films überfordern junge Zuschauer, die oftmals miesepetrige Untergangsstimmung der menschlichen Protagonisten kann belastend wirken und Szenen wie die zu Skeletten zerfallenden Opfer des Monsters Hydrox sind recht schockierend und „hart“ inszeniert.

Die Effekte sind in Ordnung, heisst: hat man schon besser gesehen- da sich die zwei Monster zumeist im Halbdunkel (das aber oft und recht ausführlich) kloppen, fällt das jedoch nicht sonderlich ins Gewicht. Ein wenig vermissen mag man die gewohnten, wunderbaren Miniaturkulissen, das klassische Vernichten selbiger ist in diesem Film Mangelware (bis auf eine herausragend getrickste, gewaltig zelebrierte Riesenexplosion einer kompletten Industrieanlage, siehe Foto links). Die Monster bleiben meist unter sich und in freier Wildbahn, daher entfällt auch das manchesmal allzu martialische und nervige Aufmarschieren grosser Militärhorden mit ihren bizarren Wunderwaffen.
Über die menschlichen Darsteller sei gnädig der Mantel des Schweigens gehüllt- ohnehin nur selten im Bild, wirken sie dann auch noch deplaziert (Ausnahme tatsächlich: der kleine Ken). Und wenn (grosse
Toho-Unsitte) auch in diesem Film das ein und andere Liedchen geträllert wird, sollte man sich die Ohren und auch die Augen unbedingt zuhalten. 

Daß der Film zu einem der sehr wenigen der Reihe gehört, die auch von der so genannten seriösen Kritk zumeist positiv aufgenommen wurden, ist verdient, macht aber die so oft unsachlich-bösen Worte über die Reihe nicht wett.
Fazit:
Sehr ernst und modern, dazu in poppigen Farben, inszenierter, makabrer bis böser, Monsterfilm mit oft beissend-satirischer Kritik an der Umweltzerstörung. Durch die Zeichentricksequenzen nur etwas aufgelockert, ist der Film durchweg gelungen, inklusive seiner herrlichen Old-School-Monsterkampfszenen.

Auch neu und ganz schön crazy: Die Zeichentrickeinlagen.

Keinerlei Erklärung des Titels oder auch nur Erwähnung eines „Frankenstein“ in der deutschen Synchronisation (siehe „Erläuterungen“).

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