Film 1 (Seite 1): Als der Schrecken seinen Anfang nahm...

Seite 2   -   Seite 3





Als vor der Küste Japans ein grosses Frachtschiff spurlos verschwindet, vermutet man zunächst einen Unfall oder einen unterirdischen Vulkanausbruch. Auch Masaji, der einzige Überlebende, kann keine nachvollziehbaren Aussagen machen, und sein Gerede von einem Meeresungeheuer hält man für Phantasterei aufgrund des Schocks... doch auch das Erkundungsschiff, das zu der vermuteten Untergangsstelle aufbricht, versinkt unter mysteriösen Umständen.
Nur die Bewohner der Insel Odo glauben an ein in ihren Geschichten überliefertes Meeresungeheuer- ein Monster, das sie Godzilla nennen und das seit Generationen im Meer lebt und an Land kommt, wenn es im Wasser nicht mehr genug Nahrung findet. Wissenschaftler halten auch das zunächst für Humbug, doch am Strand der Insel entdecken sie riesige Fußstapfen- und dann entsteigt der 50 Meter grosse Godzilla dem Meer und verwüstet die Insel.
Da Godzillas Spuren radioaktiv sind und anhand gefundener Versteinerungen (Trilobiten), stellen die Wissenschaftler um Professor Yamane fest, daß das Monster (ein überlebender Dinosaurier) Millionen von Jahren im Pazifik gelebt haben muss, bevor amerikanische Atombombenversuche und die dadurch entstandenen Verseuchungen seines Lebensumfeldes es veranlassten, auf die Menschen loszugehen- und es hat noch nicht genug Unheil angerichtet und zieht gen Tokio.
Yamane erkennt sofort, daß Godzilla ein wichtiges Forschungsobjekt sein kann, das man lebend fangen sollte, doch niemand hört auf ihn- das Militär wird mobilisiert und ist doch chancenlos gegen Godzilla.
Nur die (neben dem Erfinder nur Yamanes Tochter Emiko und ihrem Freund Ogata bekannte) „Wunderwaffe“ des Dr.Serizawa kann helfen, doch Serizawa will nicht, daß die Waffe in die Hände des Militärs gelangt...


Jede Geschichte, auch ein bis heute lebendiger Filmkult, hat ihren/seinen Anfang, und im Falle von Godzilla ist dies noch nicht einmal so sehr legendenumwoben wie sonst so oft (wenn auch nicht alles genau so passiert sein muss, wie es heute erzählt wird). Viel entspringt bei Godzilla wohl einfach eher ganz pragmatischen Gedanken.
Nach gescheiterten Verhandlungen über Projekte mit US-amerikanischen Mit-Produzenten (Geldgebern) brauchte die japanische Produktionsfirma Toho 1954 einen möglichst schnellen und grossen Erfolg an den Kinokassen, um einer zu diesem Zeitpunkt drohenden Pleite zu entgehen.
Chef-Produzent Tomoyuki Tanaka hatte dann (schon auf dem Rückflug nach den Verhandlungen in den USA) die Grundidee des radioaktiv verstrahlten Riesenmonsters, sowohl der originale „King Kong“ (von 1933) als auch der zu jener Zeit in den USA enorm populäre Monsterfilm „Panik in New York“ („The Beast From 20000 Fathoms“) inspirierten ihn wohl. Auch der tatsächliche Vorfall um einen japanischen Fischkutter, dessen Besatzung aufgrund US-amerikanischer Atombombenversuche im Pazifik am 1.März 1954 in fast 150 km Entfernung vom Testort radioaktiv stark verstrahlt worden war, ging ihm dabei durch den Kopf. Ihm war bereits bewusst, daß gerade in Japan nach den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki 1945 die Grundidee für Furore sorgen würde- der im wahrsten Sinne des Wortes Riesen-Erfolg, den „sein“ Monster auslösen würde, war wohl dennoch eine (besonders für die Toho angenehme) Überraschung.


Die Toho verstand sofort, sah das Potential der Geschichte, und legte los... und liess sich vor allem für ihre Verhältnisse dennoch relativ viel Zeit. Die Riesenechse wurde designt, gleichzeitig das Drehbuch geschrieben, und nach 51 Tagen Drehzeit mit Menschen und vor Ort und 71 Tagen Nachbearbeitung für die Spezial- und visuellen Effekte (Eiji Tsuburaya gründete extra für diesen Film eine neue und ab dato international anerkannte Abteilung der Toho) konnte der Film schliesslich bereits ab dem 27.Oktober 1954 (Vorpremiere) sein Publikum (später auch international und in besonders grosser Menge in den USA) erobern und den Grundstein für eine bis heute funktionierende Filmgattung legen, den japanischen Kaiju (Monsterfilm). Zwar war „Godzillabei weitem nicht der erste Monsterfilm überhaupt (schon lange faszinierten gerade in jeglicher Weise veränderte und aggressive Tiere die Filmliebhaber), aber dennoch darf man ihn zu den grossen Klassikern und Erneuerern des Genres zählen. Eines der bekanntesten und bis heute beliebtesten Monster ist Godzilla ohnedies, und nicht umsonst inzwischen auch „Held“ US-amerikanischer Megablockbuster, wie auch weiterhin Toho's „bester im Stall“- und bei den Japanern nach vielen Filmen als „Beschützer“ der Menschen inzwischen auch wieder ein „Böser“.

Das Monster sollte anfangs nur „G“ (für „Gigantic“) genannt werden und keinen wirklichen Namen bekommen, den Originalnamen Gojira verdankt es dem (nicht sehr netten) Spitznamen eines fülligen Toho-Mitarbeiters, und ist ein japanisches Wortspiel („Gorira“=Gorilla; „Kujira“=Wal). Der spätere amerikanische Verleih verinternationalisierte den Namen dann in Godzilla.

Dieser erste Film der bis heute so lebendigen wie legendären Reihe (übrigens damals von vielen Kritikern negativ bewertet) bildete auch den Auftakt zu einem ganzen Toho-Universum teils noch weitaus bizarrerer Monster. Insbesondere die erste Phase der Reihe bis Mitte der 1970er-Jahre zeichnet sich neben ihrem immer wunderbaren, nur selten altbackenen Charme und den (aus heutiger Sicht) recht einfachen und doch bis heute beeindruckenden Trickeffekten durch die immer wiederkehrende und deutliche Kritik an der Nutzung der Atomkraft aus (es sind zumeist Atombombenversuche, die die Monster hervorrufen, weil Tiere dadurch mutieren), die in Japan damals aufgrund der grausamen Erfahrungen des Landes am Ende des Zweiten Weltkrieges mehr als umstritten war. Viele Japaner fühlten sich durch die Filme geradezu an den Krieg erinnert (was die Wirkung für viele noch steigerte), so daß man durchaus sagen kann, daß die Monster genau für diese anhaltende Bedrohung durch Atomenergie „stehen“, diese verkörpern. So war insbesondere in Japan die Reihe (und insbesondere Honda's Filme) immer auch „politisch“ (gemeint und) gesehen worden, und nie nur reine Unterhaltungsware (das natürlich immer auch). Auch in Japan änderte sich das, auch noch in der ersten Phase, als in den 1970ern auch dort Atomkraft plötzlich „akkzeptabel“ wurde- nach der Katastrophe von Fukushima 2011 wurde vor allem der bisher letzte (Toho-)Film ("ShinGodzilla", 2016) dann wieder in ihrem kritischen Anspruch deutlicher (es erscheint wie eine schreckliche Vorhersehung, daß im ersten Film Godzilla's Auftauchen vor Tokio einen Tsunami grössten Ausmasses auslöst).
Doch kommen wir zurück zum Film. Zum obigen Thema gäbe es zweifellos noch viel mehr zu schreiben, aber dafür gibt’s andere Orte.


Godzilla“, heute auch als „Godzilla-Das Original“ vermarktet, ist in jeder Hinsicht ein Riesenfilm, ein absoluter Knaller, ein Meisterwerk, wie es nur wenige gibt. Da stimmt einfach alles, und das muss auch der verwöhnte Filmgeniesser heutiger Zeiten zugeben. Trotz (oder vielleicht gerade wegen) der Zeit, in der er entstand- als es noch nicht üblich war in Farbe zu drehen, und die Tricks noch in den Kinderschuhen steckten (und keine blöden überperfekten computergenerierten Spezialeffekte möglich waren)- ist der Film ein cineastisches Juwel und weit mehr als „nur“ ein Phantasyspektakel, weit mehr als „nur“ ein Monsterfilm. „Godzilla“ ist neben seinen grossartigen Thrillerqualitäten ein Werk mit Aussage und mit ununterbrochenem Esprit.
Würde man mich vor die Wahl stellen, ich dürfte nur fünf Filme für den Rest meines Lebens (wieder)sehen, dieser wäre dabei. Zu den anderen vieren an (vielleicht ganz) anderer Stelle.


Seinen schon in den ersten Szenen erkennbaren (anfangs ohne Monster noch subtilen), erst durch vorgezeigte Zeitungsartikel, dann durch Lichteffekte bei Meeresszenen und genau das, was man eben
nicht sieht, „nur“ angedeuteten (besser: angekündigten, hervorragend auf seinen Höhepunkt hinarbeitenden) Horror mit jeder Filmminute noch steigernd, ist der Film fast durchgehend ein bisschen semi-dokumentarisch aufgebaut (Sachio Sakai als Reporter* taucht immer wieder auf und „ist“ mehr der Charakter, als daß er ihn spielt). Regisseur Honda (nur „zweite Wahl“ der Produzenten, weil der eigentlich vorgesehene Senkichi Taniguchi absprang, da wegen „Godzilla“ ein ursprünglich anderer Film, den er inszenieren sollte, abgesagt worden war) beweist schon hier sein Talent dafür, „Ernsthaftigkeit“ (andere würden sagen: „Seriosität“) in einen solchen Film einzubauen. Dennoch gelingt es Honda, von Beginn an Spannung aufzubauen, ihm gelingt ein Spagat zwischen Anspruch und reiner Unterhaltung, letztere wunderbar kombiniert mit dem für einen (letztlich) Horrorfilm nötigen Drive- das Monster (wobei in diesem Film "Godzilla" der Name der Spezie, nicht des hier auftretenden Einzelmonsters ist) kommt dann, und es kommt richtig, auf den Punkt (endlich, schreit der erwartungsvolle und längst ungeduldige Zuschauer, obwohl es gar nicht so lange gedauert hat) und ohne Kompromisse, es verbreitet Schrecken und zerstört alles und jeden, was und der sich ihm in den Weg stellt, durch seine Grösse und den radioaktiven Strahl, den es aus seinem Maul speien kann, scheinbar unbesiegbar. Es "rockt" und bestimmt (und beherrscht auch trotz der "starren" Augenpartie) den Film, was will man denn bitte mehr von einem Monsterfilm?
Auch in der „langen“ Originalfassung ist das alles flüssig und ohne Verzögerungen erzählt, das Drehbuch hält sich nicht auf mit Nebengeschehnissen, die niemanden wirklich interessieren. Das Monster steht im Mittelpunkt, dazu noch der Professor, der trotz allem bewusst reflektiert und zumindest lange eine andere Lösung als die Gewalt will. Selbst die „Dreiecksgeschichte“ zwischen seiner Tochter, deren heimlichem Verlobten Ogata und dem mit dem Einsatz seiner Waffe zögerlichen Dr.Serizawa (dem sie „versprochen“ ist) spielt nur am Rande eine (sehr "sauber" erzählte) Rolle und fällt überhaupt nicht störend auf.

Die Kamera beobachtet als Zuschauer wie wir, und braucht dafür keine revolutionären Kamerafahrten oder ähnliches, um zum Beispiel die Panik der Menschen zu vermitteln (dafür reichen die Nahaufnahmen Flüchtender, allerdings nicht immer mit perfekten Rückprojektionen); der Schnitt fügt alles so zusammen, wie es zusammen gehört, manchesmal bedächtig, aber nie ruckartig oder verwirrend (was sogar in den „kürzeren“ Versionen für das Ausland gelang); und die Musik ist unterstreichend und trotz des Marschrhythmus unaufdringlich- die Bilder sprechen eben für sich.
Auch an den menschlichen Darstellern (hier waren sich damals einige der Bekanntesten Japans nicht zu „schade“, in einem Actionfilm aufzutreten) gibt es nichts zu bemängeln. Die machen ihre Arbeit famos, auch wenn ihnen bewusst sein musste, daß es letztlich der Film des Monsters ist.
Spezialeffekte-Guru Tsuburaya „erfand“ für diesen Film die „Suitmation“- es sollte ein Markenzeichen für die Toho werden, daß in den Filmen der ersten Phase Darsteller in Ganzkörperkostüme schlüpften und durch Modellbaulandschaften stapften. Und auch dadurch, daß gerade bei diesem Film sehr aufwendig, akkurat und geradezu mühevoll, gearbeitet wurde, und daß man exakt Massstabsgetreu die Modelle anfertigte, erarbeitete sich die Toho ihren besonders guten Ruf im Effektebereich. Das ist bis heute sehenswert und es fällt bis heute auf, wie das auch (und besonders) in Schwarz-Weiss so toll rüberkommt (und es fällt auf, daß tatsächlich in späteren Filmen der Reihe tricktechnisch ab und an geschludert wurde).

Fazit:
GROSSartig! Der Monsterfilm der Monsterfilme.

*
Die amerikanische Fassung (siehe Seite 2) treibt das durch die hereingeschnittenen Szenen mit Raymond Burr noch weiter auf die Spitze.

Es ist mir bis heute eine Art Rätsel (vor allem angesichts anderer damaliger „Entscheidungen“ dieser Behörde), warum
damals der Film eine FSK 12 bekam (nun gut, in der deutschen, stark gekürzten Fassung halt). Der Film ist aber auch gekürzt nicht unbedingt wirklich kindgerecht, viel zu anstrengend für Kleinere. Mal davon abgesehen, daß sie die „Botschaft“ des Films nicht verstehen, sind einige Szenen (selbst heute noch) viel zu brutal. Aber verstehe irgendeiner die deutsche FSK.
 

Seite 2   -   Seite 3